ES WAR EINMAL ...

Ein mächtiger Kaiser hält Hof in Tarent
in Petrus de Elbo (1196), Liber ad honorem Augusti ...
Quelle: Burgerbibliothek Bern, Cod. 120.II

 ... zu Beginn des Jahres des Herrn 1195, dass ein mächtiger Kaiser das Heilige Römische Reich regierte. Heinrich VI. hieß er, und er hielt gerade Hof in Tarent, in der süditalienischen Provinz Apulien.

Nur vier Jahre zuvor hatte er versucht, das rechtmäßige Erbe seiner Frau, das Königreich Sizilien, mit Waffengewalt an sich zu reißen, musste aber mit leeren Händen nach Germanien zurückkehren. Doch kurz darauf war ihm das Glück hold: Der englische König Richard Löwenherz befand sich gerade auf der Heimreise vom dritten Kreuzzug, als ihn der Babenberger Herzog Leopold V. an der Donau überfiel und dem Kaiser auslieferte. Dieser hielt ihn in Speyer gefangen und ließ ihn erst 1194 gegen ein gewaltiges Lösegeld von 150.000 Mark Silber wieder frei.

Mit diesem Silberberg konnte der Kaiser ein großes Heer finanzieren, um erneut die Eroberung Siziliens und Süditaliens zu wagen. Diesmal hatte er Erfolg: Heinrich wurde bereits im Dezember 1194 zum Rex Siciliae gekrönt und konnte diese Krone seinen drei anderen hinzufügen: der römischen (deutschen), der burgundischen und der eisernen (lombardischen).

König Richard Löwenherz muss sich Kaiser Heinrich unterwerfen

Damit sind wir wieder bei Tarent, wo der Kaiser, wie eingangs erwähnt, im Frühjahr 1195 Hof hielt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen erließ er dort mit strenger Miene einen Befehl, den sein Schreiber in aller Eile zu Pergament brachte, natürlich in der damals gängigen Amtssprache Latein:

"Filium Tancredi regis in Rhetiam Curentiam perductum, oculis priuari,
et in castro Amiso perpetuae captivitati addictum esse praecipio"

[Ich verordne hiermit, dass der Sohn von König Tankred [König Wilhelm III.] geblendet und nach Raetia Curiensis geschickt wird, um dort für immer in der Festung Ems eingekerkert zu bleiben.]

Woher wissen wir, dass er diesen Befehl gab? Die ursprüngliche Urkunde ist seit langem verschollen, aber der Befehl des Kaisers wurde in einer Chronik, die die Jahre 1146-1209 behandelt, von einem zeitgenössischen Mönch namens Otho von St. Blasien notiert. Eine Kopie seines Manuskripts wird noch immer in der Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt, ist aber leider nicht öffentlich zugänglich. Wir müssen uns mit einer späteren Chronik aus dem frühen 16. Jahrhundert begnügen, die Othos Text im Wesentlichen wiedergibt.

Auszug aus Chronicon D. Johannis Naucleri Praepositi Tubingensis ... 
Quelle: Staatliche Bibliothek Passau

Aber wir wollen uns nicht in diese alte Geschichtsschreibung vertiefen. Lieber denken wir an unsere eigene "Chronik" der Emser, insbesondere was ihr Schicksal im karolingischen und frühdeutschen Reich betrifft. Das gibt uns zu tun, denn wir können uns kaum auf schriftliche Hinweise stützen, die so weit in die Vergangenheit zurückreichen. Es gibt vor dem 12. Jahrhundert nur drei erhaltene Urkunden, die sich auf Personen mit diesem Namen beziehen. 

Wie bereits erwähnt (Wo alles begann), taucht der Name "Ems" in der Form "Amedes" erstmals 765 im Testament des Bischofs Tello auf; einerseits als Name einer kleinen Siedlung südlich von Chur, andererseits als Name eines Zeugen des Testaments. Der nächste Hinweis auf den Namen stammt aus dem Jahr 920, als ein "Amisa" (wahrscheinlich Richter am Gericht von Vinomna/Rankweil) in einer noch erhaltenen Urkunde als einer der Stifter des Klosters Pfäfer genannt wird. Amisa ist die re-latinisierte Form des Namens Ems, in der damaligen deutschen Form "Amitz". 250 Jahre später tauchen wieder zwei Emser auf. Sie hießen Rudolf und Godwin von Embs und waren Zeugen in einem Kaufvertrag. Mit ihnen sind die ersten Emser als Burgherren von Hohenems bezeugt, während die Burg selbst durch dem in der Einleitung erwähnten kaiserlichen Beschluss von 1195 in die Geschichte eingeht. 

Zwischen diesen Dokumenten herrscht Schweigen. Das hat doch die alten Chroniker und Geschichtsschreiber nicht davon abgehalten, die Ursprungsgeschichte des Hauses Ems in dieser Zeit weiter auszumalen. Mit Beginn einer Chronik verfasst von der Familie Ems selbt im Jahr 1616 (Große Erwartungen) sind die Forscher bis in die Dreissigerjahre des vorigen Jahrhunderts davon ausgegangen, dass die Emser von Domat/Ems stammen und von dort nach Norden gezogen sind, um schlussendlich als Burgherren von Hohenems ihren endgültigen Stammort einzunehmen. Wie genau dieser "Umzug" über 400 Jahre hinweg stattgefunden hätte, ist nicht zu erfassen.

Dies erlaubt mir, eine eigene Erzählung über das Schicksal der "Frühemser" zu formuliern. Sie stützt sich auf die Seltenheit des Namens selbst. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass er an zwei verschiedenen Stellen des Alpenrheins, die nur etwa 50 km voneinander entfernt sind, unabhängig voneinander in Gebrauch war. Meine Hypothese besteht daher aus zwei Voraussetzungen: Erstens, dass die Emser ihren Namen von der kleinen Siedlung Amedes bei Chur erhalten haben, und zweitens, dass das kleine Stück Land am unteren Alpenrhein, auf dem später die Festung Ems errichtet wurde, seinen Namen von den Emsern erhalten hat. Doch bevor ich diese Vermutung zu einer Chronikfabel ausbaue, bedarf es noch eines kurzen Exkurses in die Geschichte des Alpenrheins während der späten Karolingerzeit und der frühen deutschen Kaiserzeit.

Herzog Burkhard III. (908-73) mit Gemahlin als Stifter des Klosters St. Georg in Stein
Quelle: Fresko in der Klosterkirche   Photograph: Johann Schatz

Alles begann mit Karl dem Großen. Sein Vater hatte bereits die Alemannen im Norden wieder unterworfen und seine Macht über die Raetia Curiensis gefestigt. Karl konsolidierte diese Erfolge, indem er die bischöfliche Herrschaft in Raetien durch einen neuen Lehensträger (Graf Hunfrid) ersetzte (Und immer fließt der Rhein). Damit war das Adelsgeschlecht geboren, das über 100 Jahre lang als Grafen über Raetien herrschte. 917 wurde Raetien in das neu gegründete Herzogtum Alemannien eingegliedert, mit dem Hunfridinger Burkhard II. als Herzog. Alemannien wurde bald darauf zum Stammesherzogtum Schwaben.

Dies war zwar eine Rangerhöhung für die Hunfridinger, bedeutete aber auch, dass sie den unmittelbaren Kontakt zu dem riesigen Gebiet, über das sie herrschen sollten, verloren. So wurde die Verwaltung allmählich an untergebene Adelige delegiert. Dies waren einerseits der Bischof von Chur, der die Herrschaft über seine Gebiete im südlichen Raetien wiedererlangte, und andererseits das Geschlecht der Udalrichinger, die von einem Schwager Karls des Grossen abstammten und als Grafen im nördlichen ("unteren") Raetien und den angrenzenden Gebieten regierten. Seit ungefär dem Jahre 1000 sind sie als Grafen von Bregenz bekannt und herrschten über 150 Jahre lang über das Unterraetien, zeitweise sogar über den ganzen Alpenrhein. Gleichzeitig übernahmen Angehörige des Staufergeschlechts als Herzöge die Herrschaft von Schwaben und hatten diese bis 1268 inne.

Das Geschlecht der Udalrichinger starb aus und seine Besitzungen in Unterrrhein wurden von nahen Verwandten, den Montfortern, geerbt, die über mehrere Jahrhunderte als Grafen über die Region herrschten, auch wenn sie durch ständige Erbteilungen allmählich an Macht und Territorium verloren. Schon früh teilte sich das Geschlecht in zwei Zweige; links des Rheins herrschten die bald umbenannten Werdenberger, rechts des Rheins die (übrigen) Montforter. 

Hugo II von Thübingen mit Gemahlin Elisabeth von Bregenz
Eltern von Hugo I. von Montfort
Quelle: vorarlberg museum, Bregenz

Zu diesen schwäbischen Lehensträgern gesellten sich weitere bedeutende Dynastien. An erster Stelle sind hier die Welfen zu nennen, die ihre Machtbasis als Herzöge von Bayern innehatten, aber auch in Schwaben Besitzungen anstrebten, vor allem entlang des unteren Alpenrheins, um die Wege nach Italien zu kontrollieren. Die Habsburger hingegen, die in den folgenden Jahrhunderten zur dominierenden Macht werden sollten, hatten ihre ersten Besitzungen vor allem im Westen, im Elsass und im schweizerischen Aargau.

Ich muss zugeben, dass das oben Gesagte die regionale Geschichte nur andeutungsweise skizziert. Aber es sollte als Leinwand ausreichen, um darauf mit breitem Pinsel die Geschichte der Emser von ihren Anfängen bis ins zwölfte Jahrhundert auszumalen, sowie ich es mir vorstelle. Sodann, lassen wir die Erzählung ihren Lauf nehmen!

Irgendwann gegen Mitte des achten Jahrhunderts lebte ein kleiner Junge in der Siedlung Amedes nicht weit von Chur. Seine Familie gehörte zu den größeren Landbesitzern. Wie damals üblich, war der zweite Sohn der Familie für eine Laufbahn als Geistlicher vorgesehen. Es stellte sich bald heraus, dass der Junge eifrig lernte. Schnell konnte er sich lateinische und griechische Wörter aneignen, sobald sie ihm vorgesprochen wurden. Und er hatte keine Schwierigkeiten, der komplizierten Liturgie der heiligen Messe und anderer Zeremonien zu folgen. Der örtliche Priester gab ihm Unterricht in Latein, aber er merkte bald, dass der Schüler seinem Lehrer schon voraus war. Deshalb empfiehl er den frühreifen Jungen dem Bischof in Chur und er wurde als Student an der Domschule in diesem klerikalen und administrativen Bischofssitz aufgenommen. Und so wurde eine Dynastie von Ministerialen geboren. Der Junge nahm seinen Nachnamen von dem Ort, aus dem er stammte, und begann als Libucio de Amede seine Karriere in Chur. Dort stieg er schließlich zum Amt des Curial auf, ein hohes Amt in der kirchlichen oder zivilen Verwaltung. 

Die Nachkommen dieses ersten „Amedes“ traten in seine Fußstapfen, und nach einigen Jahrzehnten bot sich ihnen die Gelegenheit, als Beamte der neuen Herren von Raetien eingesetzt zu werden. Das Verwaltungszentrum der Hunfridinger lag in Vinomna (dem heutigen Rankweil, etwa 50 km nördlich von Chur), und so siedelten sie sich dort an. Nachdem die Hunfridinger Herzöge von Schwaben geworden waren und ihre Verwaltung weiter nach Norden verlegt hatten, blieben die Amides in Rankweil und dienten ihren Nachfolgern, den Udalrichinger Grafen von Unterrätien, die ihre Residenz ebenfalls in Rankweil hatten. 

Mit der Zeit wuchsen ihre Einkünfte und sie konnten sich den Erwerb eines Grundstückes am Rhein etwas nördlich von Rankweil leisten. Möglicherweise überließ ihnen der Graf dieses Grundstück. So entstand das bescheidene Gut Ems, das damals „Amiz“ genannt wurde, eine germanische Verkleinerungsform von Amedes, die allmählich zu "Embs" wurde. Das Anwesen kann nicht sehr groß gewesen sein, da es auf der Rückseite von einem steilen Felsen und auf der Vorderseite von den regelmäßig überschwemmten Rheinauen begrenzt wurde.

Welf VI:

Das 12. Jahrhundert war eine Zeit großer Umwälzungen im deutschen Reich mit Auseinandersetzungen zwischen den salischen Königen/Kaisern und dem Papst (der Investiturstreit). In diesen Konflikten stellten sich die Welfen, zusammen mit anderen Hochadligen wie den Udalrichingern, auf die Seite des Papstes, konnten zahlreiche Besitztümer im Alpenrheingebiet, die entweder dem König oder dem Kloster St. Gallen gehörten, beschlagnahmen und errichteten eine Reihe von Herrschaften in Unterrätien (rechts des Rheins) unter ihrer Lehenshoheit. Der bescheidene Hof „Amiz“, der bald „Embs“ genannt wurde, fiel in diesen Einflussbereich. Um 1140 beschloss Herzog Welf VI., die Strecke entlang des Alpenrheins, die auch an dem kleinen Besitz Embs vorbeiführte, zu befestigen. Auf dem steil abfallenden Felsen direkt hinter dem Gut wurde eine mächtige Burg errichtet und die Embser als Burgherren eingesetzt. Die Burg erhielt den Namen „Hohen-Embs“, lateinisch „Alta Amisa“, in Anspielung auf ihre Lage hoch über Embs.

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Das war der Beginn der Emser Dynastie, und ab diesem Zeitpunkt gehen unsere Vorstellungen in dokumentierte Geschichte über. Aber ich denke, liebe Leser, wir haben schon genug Geschichtsfaden gewoben. Die Folge sollten wir lieber in weiteren Blogkapiteln behandeln. 

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