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Ich betrachte hier eine Karte des unteren Alpenrheins. Wir schreiben das Jahr 1417. Das grün gestreifte Gebiet wurde bereits bis 1375 von den Habsburgern erworben, um ihre Besitzungen in Tirol mit den weiter westlich gelegenen Vorlanden zu verbinden. Die Karte zeigt auch die Grenzen des heutigen Vorarlberg (das Gebiet vor dem Arlberg, dem Berg an der Grenze zu Tirol). Dieses gesamte "Ländle" wurde schließlich habsburgisch und macht ab 1918 das westlichste Bundesland der Republik Österreich aus.

Im Jahr 1415 hatte Friedrich IV. (1382-1439), der habsburgische Fürst von Tirol und Vorderösterreich (die habsburgischen Besitzungen westlich des Arlbergs und bis ins Elsass), alle seine Herrschaften verloren, mit Ausnahme Tirols, wo er dem Reichsbann König Sigismunds  noch widerstehen konnte (Am Abgrund). 

König Sigismund
Künstler: Dürer
Quelle: Germanisches Nationalm.
Der König hatte diese Ländereien eingezogen und verteilte sie sofort wieder unter seinen treuen Verbündeten. Sie wurden doch nicht als Reichslehen vergeben. Die Empfänger mussten Sigismund große Darlehen gewähren und erhielten im Gegenzug ihre neuen Domäne als Pfandlehen. So füllte der Herrscher seine Kassen, die sich durch seine zahlreichen Kriegszüge im Osten und Südosten immer wieder leerten.

In Vorarlberg hatte Graf Friedrich VII. von Toggenburg (ca. 1370-1436) die Stadt Feldkirch besetzt, das Zentrum der neu erworbenen habsburgischen Herrschaften am unteren Alpenrhein. Damit sind wir wieder bei der Landkarte und dem Jahr 1417 angelangt. Der König erhielt vom Grafen ein beträchtliches Darlehen und überließ ihm im Gegenzug die Grafschaft Feldkirch als Pfandlehen. Das ermöglichte dem Grafen, sie zu seinen bereits bestehenden umfangreichen Besitzungen am oberen Alpenrhein hinzuzufügen. Mitten in den neu erworbenen Besitzungen und von ihnen umschlossen lag die kleine Herrschaft der Emser. Das brachte die Familie in eine ziemlich prekäre Lage.

Bis vor kurzem waren die Emser treue Verbündete der Habsburger gewesen, in deren Bemühungen und Kämpfen, die Eidgenossen daran zu hindern, stetig in ihre Besitzungen westlich des Alpenrheins einzudringen. Als direkte Verbündete oder indirekt als Mitglied des schwäbischen Ritterbundes des St.-Georgs-Schildes hatten sie in vielen Schlachten gekämpft, vor allem bei Sempach (1386), Am Stoß (1405) und Bregenz (1408). Die Emser hatten jedoch für dieses Bündnis einen hohen Preis zu bezahlen: ihre Herrschaften  wurden  im Zuge des gewaltsamen Angriffs der Appenzeller 1407 (Am Abgrund) verwüstet und ihre Burgen verbrannt.

Die Schlacht zu Bregenz 1408
aus Schilling (1485), Die Spiezer Chronik
Quelle
: Burger Bibliothek Bern

Im Jahr 1417 waren ihre Burgen noch nicht restauriert, und umfangreiche Darlehen belasteten bereits den Besitz, um die Wiederherstellung zu finanzieren.  Da fanden sie sich plötzlich von einem Herrn umzingelt, der ein erklärter Feind der Habsburger und ein Freund der Eidgenossen war! Nicht zu vergessen, dass er die Unterstützung des Königs genoss, dessen Pfandlehensträger er war. Grund genug, den Kopf einzuziehen, und die regionalen Konflikte diskret auszuharren.

Glücklicherweise dauerte dieses Dilemma nicht länger als acht Jahre. Bereits 1425 schloss König Sigismund Frieden mit Herzog Friedrich IV. und gestattete ihm, seine verlorenen Besitztümer zurückzuerhalten. Der Herzog musste sie jedoch zurückkaufen, indem er Sigismunds Gläubiger entschädigte, die diese Güter als Pfandlehen bekommen hatten. Friedrich konnte das dank der Tiroler Silberminen (Saehrimnir) schaffen, wobei er aus diesen voll schöpfen musste. Letztendlich konnte er alle habsburgischen Herrschaften im Westen zurückgewinnen, mit Ausnahme des Habsburger Stammsitzes Aargau (den die Eidgenossen nicht abtreten wollten und der für immer verloren blieb), sowie der Herrschaft Feldkirch. Letztere blieb noch ein Jahrzehnt lang im Besitz des Toggenburgers, bis zu dessen Tod 1436, bevor sie vom Tiroler Landesherrn mit Mühe zurückerobert werden konnte.

Friedrich VII von Toggenburg am Totenbett
aus Schilling (1485)

Die Emser hatten ihrerseits insofern Glück, als sie schon früh darauf geachtet hatten, ihre Beziehungen zu den Luxemburgern, dem Geschlecht, das dem Wittelsbacher Ludwig auf dem Thron folgte, zu pflegen. Schon 1348 gewährten sie dem damals noch umstrittenen König Karl IV. von Luxemburg ein neues Darlehen von 500 Mark Silber, das wieder auf das schon bestehende Pfand auf Hohenems geschlagen wurde. 1430 traten sie auch an seinen Sohn, König Sigismund, heran. Der sah ein, dass das inzwischen schon beträchtlich gewachsene Darlehen nie eingelöst werden würde und wandelte das Pfandlehen kurzerhand in ein ordentliches Reichslehen um. Hans Ulrich von Ems (ca. 1385 - ca. 1449) erhielt als Familienoberhaupt den Großteil, während seine Vettern, die Brüder Michael (ca. 1402 - ca. 1450) und Marquard (ca. 1403-1489) von Ems den Rest bekamen. So wurden die Emser nun zu eigenständigen Reichsherren.

König Sigismund hält Hof mit seinen Lehensträgern
aus Richental (1440), Chronik des Konzils von Konstanz
Quelle: Österreichische Nationalbibliothek

Von da an verzweigte sich das Haus Ems in zwei Linien, die Ems zu Hohenems und die Ems zu Dornbüren. Erst mehr als hundert Jahre später, mit dem Tod von Christoph von Ems zu Dornbüren (ca. 1500-1549), wurde das Haus wieder vereint.

Jetzt begann ein neuer Aufstieg des Hauses, auch wenn äußere und familiäre Konflikte diesen anfangs verzögerten. Sie verloren auch nach und ihren Besitz links des Alpenrheins an die Eidgenossen, mit den letzten Verkäufen kurz nach dem Schwäbischen Krieg (1499; War er deren Kaiser?). Trotz aller Schwierigkeiten gelang es ihnen jedoch, ihr Vermögen und ihre Machtstellung langsam, aber sicher wieder herzustellen. Dabei verbündeten sie sich, wie früher, mit den Habsburgern. 

Die Habsburger waren in ihren Besitzungen westlich von Tirol ständig auf Partner und Helfer angewiesen, da sie mit den Eidgenossen und weiter westlich mit benachbarten Herrschern wie den Herzögen von Burgund und Savoyen öfters in Konflikt standen. Ihren eigenen adeligen Untertanen war nicht immer zu trauen; es kam zu mehreren Aufständen, die nur mit Mühe niedergeschlagen werden konnten. Freundlich gesinnte adelige Nachbarn wurden deswegen mit offenen Armen empfangen, wenn sie in ihre Dienste treten wollten. Insbesondere die Emser, die ja seit jeher mit ihnen verbündet waren, und als Söldnerführer, Kammerherren und Verwalter ihrer Herrschaften in Vorarlberg gewirkt hatten.

Die Schlacht zu Murten (1477)
Die Eidgenossen, Lothringer und Habsburger in Krieg gegen Burgund
aus Schilling (1513), Die Eidgenössische Chronik
Quelle
: Zentralbibliothek Luzern

Mit Kaiser Sigismunds Tod 1438 erlöschte das Luxemburger Haus; die Habsburger kamen wieder auf den Thron des Reiches und hatten ihn fortan fest in der Hand. So die Emser hatten die Habsburger ab 1438 nicht mehr nur als Nachbarn, sondern auch als Lehensoberhaupt! Friedrich III., der erste zum Kaiser gekrönte Habsburger, wurde schon 1440 zum König gewählt und herrschte mehr als 50 Jahre lang über das Reich, abgelöst erst 1493 von seinem Sohn Maximilian I.

Ein wichtiger Aspekt der Emser Zusammenarbeit mit den Habsburgern war die Wachthaltung am Alpenrhein gegen die Eidgenossen. Im Laufe des 15. Jahrhunderts kam es zu zahlreichen kleineren Konflikten, Überfällen, ernsteren Auseinandersetzungen und sogar Kriegen. Die Emser waren geeignete Alliierte bei der Verteidigung gegen Übergriffe in Vorarlberg; ihre Interessen stimmten stark mit denen des Seniorpartners überein. Ob sie nun eine eigene Miliz stellten oder im Auftrag der Habsburger größere Truppen in Vorarlberg befehligten, sie trugen wesentlich dazu bei, dass die Eidgenossen die Region nie mehr übernehmen konnten.

Doch die Zusammenarbeit beschränkte sich nicht nur auf militärische Aktionen. Herrscher haben schon immer gute Berater und Verwalter an ihren Höfen sowie Statthalter in ihren entlegenen Herrschaftsgebieten gebraucht, und die Habsburger waren froh, auch in dieser Hinsicht wieder auf fähige Emser zurückgreifen zu können. Zu Beginn war dies eine Spezialität des Dornbürener Zweigs, während die Hohenemser sich vorrangig um die Geschäfte in der Nähe ihres Stammsitzes kümmerten.

König Friedrich II. auf dem Weg nach Rom
aus Treutzsauerwein (1514), Weißkunig
Quelle
: Österreichische Nationalbibliothek

Hans I. von Ems zu Dornbüren (ca. 1430 - ca. 1494), Sohn von Hans Ulrich, ist das Paradebeispiel eines Emser, der hohe Positionen an einem Fürstenhof  der Habsburger innehatte. Er muss ein hervorragender Berater und Diplomat gewesen sein. Als junger Höfling unterstützte er Herzog Albrecht VI. von Österreich (1418-1463) bei der Organisation und Durchführung der Romreise dessen Bruders, König Friedrich III. Dafür wurde er 1451 vom König selbst auf der Tiberbrücke zum Ritter geschlagen – eine wohlverdiente Ehrung! Danach diente Hans als Kammerherr und Rat am herzoglichen Hof in Freiburg im Breisgau, Albrechts Residenz als Herrscher über Vorderösterreich (1446-1458).

Albrechts Gemahlin, Mechtild von der Pfalz (1419-1482), fand Gefallen an dem jungen Mann und engagierte ihn 1454 als Kommandant ihrer Garde und Verwalter ihrer Herrschaft in Rotthausen am Neckar. Als Belohnung erhielt er mehrere Besitze in Vorderösterreich zum Lehen, von großzügiger Bezahlung in Spezie ganz zu schweigen. Der Dienst in Rotthausen kam ihm auch deswegen zu Gute, als er dadurch aus der erbitterten Fehde zwischen Albrecht und dessen Bruder Kaiser Friedrich III. herausgehalten wurde, die bis zum Tod des Herzogs 1463 andauerte.


Herzog Albrecht IV mit Gemahlin Mechtild von der Pfalz
aus Codex Ingeram (1459)
Quelle: Hofjagd- und Rüstkammer, Wien

Am Alpenrhein diente Jakob I. von Ems (Hansens Bruder; ca. 1435 - ca. 1508) Herzog Siegmund, dem Herrscher von Tirol und nach Albrecht auch Vorderösterreich. Jakob wurde zum Vogt der habsburgischen Besitzungen in Vorarlberg ernannt und erwarb außerdem als Pfand den habsburgischen Anteil an den Dornbirner Territorien. Damit lag ganz Vorarlberg unter seinem Einfluss.

Jakobs vier Söhne, Hans II. (ca. 1469-1559), Jakob II. (ca. 1471-1513), Hans Ulrich II. (ca. 1473-1520) und Burckhard (ca. 1575-1536) von Ems zu Dornbüren, folgten dem guten Beispiel ihres Vaters. Als Söhne und Neffen zweier bedeutender Emser können wir sicher sein, dass sie in den Genuss einer edlen Erziehung kamen. Ihrer Berufung treu, schlugen auch sie eine vielversprechende Laufbahn ein. Hans II. stand kurzzeitig in den Diensten Maximilians I. (Siegmunds Nachfolger in Tirol) in der Verwaltung Tirols, war aber ansonsten vor allem mit der Verwaltung der eigenen Herrschaften beschäftigt. Auch Bruder Jakob II. begann eine vielversprechende Karriere; er bekleidete bereits in jungen Jahren das Amt des Truchseß am Königshof Maximilians I.

In der Zwischenzeit bemühte sich König Maximilian I. darum, die Habsburger Kriegsführung zu reformieren. Mehr als ein Jahrhundert lang hatten die Habsburger mit ihren traditionellen Ritterheeren den Kampf gegen die „bäuerliche“ Infanterie der Eidgenossen immer wieder verloren. Es war an der Zeit, diesem bedrohenden Gegner nachzueifern. So wurde die Kavallerie alten Stils, die aus adligen Waffenträgern bestand, weitgehend durch eine neue Streitmacht ersetzt: Eine Infanterie nach Schweizer Vorbild, bestehend aus so genannten Landsknechten, die sich aus der breiten Bevölkerungsschicht rekrutierten und für Geld kämpften, statt aus feudaler Verpflichtung. Maximilian setzte 1479 in der Schlacht bei Guinegate (im Burgundischen Erbfolgekrieg 1477-1493) erstmals ein solches Heer ein. Er bescherte damit der zahlenmäßig überlegenen, aber traditionell organisierten Armee des französischen Königs eine entscheidenden Niederlage.  

Die Schlacht bei Guinegate (1479)
         Maximilian ermutigt die Truppen ...          ... die die Franzosen überraschend besiegen
Auszüge aus Treutzsauerwein (1514), Weißkunig
Quelle: Österreichische Nationalbibliothek         

Jakob II. und Burckhard, und in geringerem Maße auch Hans Ulrich II., erkannten schon früh die großen Gewinne, die sich aus der Aufstellung und Führung von Landsknechtregimenten im Dienste des Herrschers ergaben. Sie spielten eine wichtige Rolle als Söldnerobristen in den Großen Italienischen Kriegen. Jakob machte sich einen Namen als Krieger von ewigem Ruhm (Quem Dei diligunt), fiel aber schon 1513 in der Schlacht von Ravenna. Burckhard, der Bedächtige, überlebte die Schlacht und diente später dem bayerischen Herzog Albrecht IV. (1493–1550).

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Mit dem Tod dieser beiden prominenten Kämpfer war die Ära der großen Emser zu Dornbüren vorbei. Das hielt die Linie der Hohenemser aber nicht davon ab, ihrerseits auch das Schicksal herauszufordern und Landsknechtsführer zu werden. Liebe Leser, es gibt davon viele faszinierende Geschichten zu erzählen, was wir aber lieber den folgenden Blogabschnitten überlassen.

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