QUEM DEI DILIGUNT ...



Wir drei Brüder Ems standen vor einer faszinierenden Figur, die zweifellos ein Symbol für Fruchtbarkeit war und sicher eine interessante Geschichte zu erzählen hatte.

Am Morgen den 2. Mai hatten wir Mailand verlassen, nach einem intensiven Tag, an dem wir die Großartigkeit der Stadt und ihres prominenten Sohnes (Gottes Vorkämpfer) kennengelernt hatten. Zunächst fuhr Bruder Ludwig zügig auf der Autostrada A4 geradeaus nach Osten, vorbei an Brescia und Verona. Bei Vicenza wich er jedoch zu meiner Überraschung von dieser Route ab und setzte die Fahrt auf einer einfachen Landstraße fort. Dieser Straße entlang konnten wir die dicht besiedelte und industrialisierte Landschaft Norditaliens erleben. Fabriken, Dörfer und Bauernhöfe reihten sich dicht aneinander und konnten nur im „Schneckentakt" durchfahren werden. Nachdem wir die Städte Cittadella und Castelfranco passiert hatten, erreichten wir schließlich um die Mittagszeit Treviso, das Tor zu Venedig und unser Mittagsziel.

„Warum halten wir in Treviso und warum haben wir diese umständliche Landstraße gewählt, um hierherzukommen?“, fragte ich Bruder Ludwig. Seine Antwort war etwas überraschend: Er wollte der Route folgen, die die französischen und kaiserlichen Truppen einst mit der Absicht benutzt hatten, Venedig zu erobern und zu zerstören. Alle Städte entlang dieser Route waren von dieser Armee besetzt worden – mit einer Ausnahme: Treviso war stark befestigt und bewachte den Zugang zu La Serenissima selbst. Somit wurde Venedig nicht eingenommen. Kein Wunder, dass die Trevisianer ihre „Fruchtbarkeitsgöttin" verehrten! Für uns Brüder war jedoch wichtiger, dass mehrere Emser als Obristen von Landsknechtsregimentern an diesem Feldzug teilgenommen hatten. Aber keiner von ihnen hatte Treviso betreten! Es war an der Zeit, dass wir der Stadt die Ehre erwiesen!

Während wir durch die engen Gassen des mittelalterlichen Stadtkerns von Treviso schlenderten, wanderten meine Gedanken in die Vergangenheit. Ich musste tief in mein Tresor von Geschichtsepisoden greifen, um eine Verbindung zu Ludwigs „Bons Mots” zu finden. Dann fiel es mir ein. Es ging natürlich um eine Episode aus den Großen Italienischen Kriegen (1494-1559)! In dieser brutalen Zeit, in der alle europäischen Großmächte gegeneinander in Italien und anderswo kämpften, spielte sich der verworrenste Feldzug von allen ab: der achtjährige Krieg der Liga von Cambrai (1508–1516), auch Großer Venezianischer Krieg genannt.

Der Ursprung dieses verwickelten Krieges lag im Bestreben der Serenissima, nicht nur die Vorherrschaft auf den Meeren zu halten, sondern auch eine regionale Supermacht zu werden. Während des 15. Jahrhunderts gelang es Venedig, sich einen beträchtlichen Teil Reichsitaliens anzueignen. Zunächst fiel Venetien an die Serenissima, dann das Herzogtum Friaul und schließlich Teile des Herzogtums Mailand (Das Herzogtum war seit in 1500 unter französischer Herrschaft). Letztlich knabberte es auch an Territorien des Papstes, indem es sich Romagna einverleibte, beginnend mit Ravenna. Als ob das nicht genug wäre, zog Venedig auch das spanische Italien in Mitleidenschaft, indem es schon mehrere Häfen im südlichen Apulien besetzt hielt.

Im Herbst 1508 schlossen sich die geschädigten Parteien, das Reich, der Papst, Frankreich und Spanien, schließlich zur mächtigen Liga von Cambrai zusammen, um dem Expansionsdrang Venedigs Einhalt zu gebieten. Ein Kriegszug wurde im Frühjahr 1509 eingeleitet. Zunächst waren die Verbündeten erfolgreich: Die Venezianer verloren alle Besitzungen, die sie sich angeeignet hatten – mit Ausnahme von Treviso, wie bereits erwähnt. Doch bald darauf gewann Venedig die meisten der verlorenen Gebiete wieder zurück. Das zwang Kaiser Maximilian I. dazu, mit einem größeren Heer erneut nach Süden zu ziehen – jedoch ohne Erfolg. Er litt ständig unter Geldmangel und seine Eingriffe im Krieg waren im Allgemeinen kurzfristig und fruchtlos.

Der Papst, der die Vormachtstellung Frankreichs in Italien fürchtete, wechselte im Jahr 1510 die Seiten. Er konnte Spanien, Venedig, die Eidgenossen und schließlich sogar England davon überzeugen, sich mit ihm zu alliieren, um die Franzosen aus Italien zu vertreiben. Nur Frankreich und Maximilian I. führten noch Krieg gegen Venedig, waren aber nicht mehr in der Lage, entscheidend gegen die Serenissima vorzugehen.

In den folgenden drei Jahren verschoben sich die Kampffronten ständig. Mal gewannen die Franzosen die Oberhand, mal die neue Allianz, die als Heilige Liga bekannt wurde und der sich schließlich auch Maximilian anschloss. Allmählich verloren die Franzosen die Initiative und mussten sich im Jahr 1513 vollständig aus Italien zurückziehen. Mailand wurde als Kriegsbeute von den Eidgenossen übernommen, die einen Sforza als ihren „Marionettenherzog” einsetzten.

Der Große Venezianische Krieg
Aufschlag aus Ems (2024), Maximilians letzter Triumph
Künstler
: Albrecht Altdorfer

Das war jedoch nur ein kurzfristiger Triumph für die Schweizer. Nur zwei Jahre später beschloss der ehrgeizige, frisch gekrönte König Franz I. von Frankreich, Mailand zurückzugewinnen. Er fiel mit einem großen Heer in die Lombardei ein – diesmal im Bündnis mit Venedig – und besiegte die Eidgenossen in der gewaltigen Schlacht von Marignano im September 1515. Dem Schweizer Expansionsdrang war ein für alle Mal ein Ende gesetzt.

Damit war der Krieg im Wesentlichen beendet. Als 1516 mit den Verträgen von Noyon, Brüssel und Freiburg der Friede geschlossen wurde, hatte keiner der Beteiligten Nutzen daraus gezogen. Der Status quo ante wurde einfach wiederhergestellt. Doch hatten hunderttausende von Soldaten ihr Leben verloren, zahlreiche Städte waren geplündert und zerstört worden und die Bevölkerung der Halbinsel hatte ein furchtbares Martyrium erlitten – und das alles für nichts!

Bataille de Marignan (1515)      Künstler: Maître de la Ratière (zugeschrieben)
Quelle: The Picture Art Collection

Insgesamt haben fünf Emser am Großen Venezianischen Krieg teilgenommen: die Brüder Jakob II. (ca. 1471–1512), Burkhard (ca. 1475–1536) und Hans Ulrich II. (ca. 1473–1520), ihr Vetter Merk Sittich I. (ca. 1470–1533) sowie Georg Emser, ein illegitimer Nachkomme. Jakob, Burkhard und Merk Sittich waren Obristen ganzer Landsknechtregimenter, Hans Ulrich war Hauptmann eines kleineren Kontingents und Georg vermutlich nur Kapitän eines Fähnleins in Jakobs Regiment.

Merk Sittich war der älteste und auch der erfahrenste der fünf. Er hatte bereits früher im Reich gegen die Schweizer (War er deren Kaiser?) und im Italienischen Krieg von Neapel gegen die Franzosen (1499-1504) gekämpft. Im Venezianischen Krieg nahm er jedoch nur im ersten Jahr ständig teil. Danach eher sporadisch und hauptsächlich in Gebieten nordöstlich und östlich von Venedig.

Jakob hingegen entwickelte sich zu einem hoch angesehenen Heerführer in dieser Kriegsepisode. Interessanterweise nicht unter dem kaiserlichen Banner. Kaiser Maximilian I. war meistens knapp bei Kasse und konnte seine Truppen nie lange im Feld halten. Viele seiner Feldzüge im Venezianischen Krieg endeten außerdem mit Misserfolg. Das erschwerte es seinen Landsknechtsobristen, sich als siegreiche Helden zu profilieren.

Auszug aus von Notzing (1735), Armamentarium heroicum Ambrasianum ...
Quelle: Universitätsbibliothek Göttingen

Jakob war der erste Emser, über den in zeitgenössischen Quellen ausführlich berichtet wurde. In diesen zeigte er sich als echter Renaissance-Mensch mit all seinen Tugenden und Schwächen. Deshalb verdient er es, in diesem Blogabschnitt besonders vorgestellt zu werden.

Über Jakobs Jugend ist nur wenig bekannt. Er hat jedoch mit Sicherheit eine solide Ausbildung in allen Fragen der Kriegsführung erhalten. Sein Vater Jakob I. (ca. 1435–1508) und sein Onkel Hans I. (ca. 1430–1494) waren wohlhabende und angesehene Adlige, die im Dienste der Habsburger standen (Phoenix ascendens). Jakob muss schon früh besondere Fähigkeiten in den Kampfkünsten bewiesen haben, denn er erwies sich als hervorragender Ritter, der bei Turnieren – dem Spitzensport seiner Zeit – glänzte. König Maximilian I., der ein großer Bewunderer des klassischen Rittertums war – was ihm den Beinamen „Maximilian der letzte Ritter“ einbrachte –, fand Gefallen an ihm und erhob ihn zum Truchseß am königlichen Hof.

Auch über seine Feldzüge vor 1509 ist leider nichts bekannt. Er muss jedoch schon früh gekämpft haben, da er bereits zu Beginn des Großen Venezianischen Krieges als Obrist eines Landsknechtsregiments erscheint. Im ersten Jahr dieses Feldzugs hatten die französischen Truppen, unterstützt von kleinen kaiserlichen Kontingenten, bereits alle venezianischen Gebiete in Norditalien (mit Ausnahme von Treviso) erobert, wie schon gesagt. Daraufhin übernahmen kaiserliche Statthalter die zurückeroberten Städte im Osten des Herzogtums Mailand, während sich die Franzosen in ihren Sitz in Mailand zurückzogen.

Die Belagerung von Pavia im September 1509
Künstler: Hans Burgkmair (1526)   Quelle: National Gallery of Art, Wash. D.C.

Bald darauf kehrten die Venezianer wieder und eroberten viele ihrer verlorenen Gebiete zurück, darunter die zentrale Stadt Padua. Dies zwang den Kaiser, in aller Eile ein großes Heer aufzustellen, um die Serenissima eines Besseren zu belehren. Es umfasste unter anderem Regimenter unter Jakob II., Merk Sittich I. und Burkhard. Maximilian belagerte Padua den größten Teil des Septembers 1509, unterstützt von einem Kontingent französischer Truppen. Dazu gehörte ein Bataillon schwerer Kavallerie unter der Führung von Pierre Terrail, seigneur de Bayard (ca. 1476-1524), einem zu seiner Zeit und bis heute bekannten und angesehenen Krieger.

Während der ersten Scharmützel in Padua, die in offenem Gelände rund um die Stadt stattfanden, erwiesen sich Jakobs Landsknechte mit ihren langen Piken zusammen mit Bayards berittenen Rittern mit Schwertern und Speeren als eine sehr kampftaugliche Gruppe, die die Venezianer mit Bravour aus dem Feld fegte. So entstand zwischen den beiden Anführern ein Band der Waffenkameradschaft, das halten sollte, bis „der Tod sie schied“.

Die Fortsetzung verlief nicht so günstig. Die Venezianer zogen sich aus der Schlacht in die befestigte Stadt zurück. Maximilian sah sich zu einer langwierigen Belagerung gezwungen, die den ganzen September andauerte und seine Infanterie stark dezimierte. Schließlich forderte der Kaiser die Kavallerie auf, die Landsknechte bei ihrem Vorstoß zu unterstützen. Was dann geschah, ist unklar. Französische Quellen behaupten, dass Bayard seiner Bitte nachkam, die deutsche Kavallerie sich jedoch weigerte. Deutsche Quellen behaupten das Gegenteil. Letztendlich stieg jedoch kein Reiter vom Pferd!

Chevalier de Bayard
Auszug aus Cahu (1898), Histoire du Chevalier de Bayard

Dieser Vorfall, die bereits geleerte Kriegskasse und der nahende Winter veranlassten Maximilian, die Belagerung abzubrechen, sich nach Tirol zurückzuziehen und nur einige kleinere Kontingente von Landsknechten als Garnisonen in den noch unter seiner Kontrolle stehenden Städten zurückzulassen. Jakob blieb in Italien und befestigte Vicenza unter der Leitung des Fürsten von Anhalt. Merk Sittich, Burkhard und Hans Ulrich zogen mit dem Hauptheer nach Hause. Wir gehen davon aus, dass Georg Emser bei Jakob blieb.

Im folgenden Jahr änderte sich die Kriegslage in ständig neuen, verwirrenden Mêlées. Maximilian hielt nur kleine Truppen in Norditalien und verließ sich auf die Hilfe der Franzosen, um die Gewinne in Venetien zu halten. Er konzentrierte seine Armee auf seine Erbländer nordöstlich und östlich von Venedig, die er zurückgewinnen wollte.

In Venetien kämpften die Reichskontingente, teilweise unter der Führung von Jakob und schließlich auch Burkhard, der zurückgekehrt war, tapfer zusammen mit französischen Stütztruppen. Diese trafen immer dann ein, wenn die Venezianer dem Herzogtum Mailand zu nahe kamen.

Die Venezianer, nun mit dem Papst und Spanien verbündet, wurden immer aggressiver. Sie eroberten mehrere Städte wie Vicenza und Brescia zurück und belagerten im September sogar Verona, den verbliebenen Hauptsitz der kaiserlichen Macht. Die Verteidigungsanlagen der Stadt erwiesen sich jedoch als zu stark und wurden sowohl von den Truppen Jakobs als auch von Georg von Frundsberg (einem weiteren beeindruckenden Landsknechtsobristen) erfolgreich verteidigt. Schließlich kamen Merk Sittichs Landsknechte und französische Truppen unter Chaumont zur Hilfe und schlugen die Venezianer in die Flucht.

Verona mit seinen starken Befestigungen
Auszug aus Mortier (1704), Les Villes de Venetie                     Photograph: Stefano

Der Kampf um Verona sollte doch zu einem Tiefpunkt in Jakobs Karriere führen. Zwar konnte der Angriff der Venezianer abgewehrt werden, doch geriet Jakob dabei in Kriegsgefangenschaft. Bei einem Ausbruchsversuch mit seinen Landsknechten wurde er durch einen überraschenden Gegenangriff der venezianischen Nachhut eingekesselt, gefangen genommen und nach Venedig entführt.

Seine Gefangenschaft muss zweifellos verheerend gewesen sein. Zwar wurde er bald freigelassen, doch musste er dafür ein Vermögen an Lösegeld aufbringen. In der Zwischenzeit hatte sich sein Landsknechtshaufen zerstreut und ihm fehlten die Mittel, Söldner wieder anzuheuern. Er konnte auch nicht darauf zählen, dass der Kaiser ihm diese bereitstellen würde. In dieser Notlage kam ihm sein Freund Bayard zu Hilfe. Er überzeugte König Ludwig XII., Jakob in seine Armee aufzunehmen und ihm den Aufbau eines Landsknechtregiments zu finanzieren. So kämpfte Jakob gegen Ende des Jahres 1510 schließlich unter französischer Flagge gegen Venedig.

Der Krieg zog sich in die Länge. Im Jahr 1511 beschlossen die Franzosen, den Krieg auch an den Papst zu tragen. Mit der Führung wurde der kampferprobte, siebzigjährige Feldherr Gian Giacomo Trivulzio betraut, der als Gouverneur von Mailand diente. Er begann mit der Invasion des Kirchenstaates und nahm Bologna als erstes Ziel ins Visier. In seiner Armee treffen wir Jakob wieder, der seine Landsknechte unter französischer Flagge anführte. Bologna wurde erobert, doch gleichzeitig griffen die Schweizer aus dem Norden an und bedrohten Mailand, sodass dieser Feldzug vorzeitig abgebrochen werden musste. Zudem hatten die Venezianer die Gelegenheit genutzt und bereits die großen Mailänder Städte Brescia und Bergamo zurückerobert.

Zum Glück der Franzosen betrat Ende 1511 mit Gaston de Foix, Herzog von Nemours und Neffe von König Ludwig XII., ein neuer Kriegsherr die Bühne. Erstaunlicherweise zeichnete er sich im Alter von nur 21 Jahren nicht nur als fähiger Verwalter des Herzogtums, sondern auch als vollwertiger Feldherr aus – ein junger Napoleon, wie man versucht ist zu sagen. Er trieb die Schweizer Armee umgehend über die Alpen zurück, befreite Bologna, das bereits von päpstlichen und spanischen Truppen belagert wurde, und vertrieb auch die Venezianer aus Brescia und Bergamo. Danach beschloss er, den Krieg schnellstens zum Papst und zu den Spaniern im Süden zu tragen – ganz im Geiste Napoleons. Sein Ziel war es, deren Armeen umgehend zu besiegen und die Allianz aufzulösen. Kürzlich hatte sich Heinrich VIII. von England der Heiligen Liga angeschlossen und auch Kaiser Maximilian stand schon davor, die Seiten zu wechseln. De Foix erkannte, dass seine Truppen bald anderswo kämpfen müssten.

Défilé der Armeen vor der Schlacht bei Ravenna
Künstler: Natale Dati (1530)      Quelle: The Art Institute of Chicago

Mit seinem Heer war er bereits auf dem Weg nach Rom, als er feststellen musste, dass die spanische Armee die Pässe im Apennin blockiert hatte. In der Hoffnung, den Feind diesseits der Berge in eine Entscheidungsschlacht zu locken, belagerte er Ravenna, die letzte vom Papst gehaltene Stadt der Romagna. Die Verlockung gelang und Anfang April standen sich die Gegner vor den Toren der Stadt Auge in Auge gegenüber. So kam es zu einer der gewaltigsten Schlachten der Großen Italienischen Kriege, an der fast 40.000 Mann beteiligt waren, von denen mehr als die Hälfte auf dem Schlachtfeld blieben.

In dieser Schlacht von Ravenna (1512) befehligte Jakob II. von Ems die Infanterie (Taylor [1920]), die aus etwa 9.500 Landsknechten, einer Einheit von 8.000 gaskognischen Bogenschützen und Picard-Pikenieren unter Seigneur de Molart bestand. Bayard war der Befehlshaber der schweren Kavallerie.

Auf dem Höhepunkt der Schlacht standen sich im Zentrum des Geschehens die französische und die spanische Infanterie gegenüber, doch beide Seiten zögerten mit dem Angriff. Plötzlich ergriff Jakob die Initiative, spornte seine Männer zu einer tolldreisten Attacke an und stürmte an ihrer Spitze direkt gegen die spanischen Tercios. Diese antworteten mit einem Kugelhagel, der die Angreifer sofort um ein Drittel dezimierte – Jakob eingeschlossen. Rasend vor Wut über den Tod ihres Anführers griff der Rest des Haufens umso heftiger an, durchbrach die spanische Linie und richtete unter dem spanischen Fußvolk ein grausames Blutbad an. Das führte zur Auflösung und Flucht des gesamten spanischen Heeres.

Für die Sieger wäre alles gut ausgegangen, hätte ihr Befehlshaber, der sich ausnahmsweise als junger Heißsporn erwies, nicht darauf beharrt, die spanische Nachhut mit einem kleinen Kontingent seiner „Chevaliers” zu verfolgen. Zu seinem Unglück formierten die Spanier jedoch unerwartet neu, kesselten die Verfolger ein und töteten sowohl de Foix als auch seine Begleiter. Dabei ließen sie den hohen Rang ihres Gegners völlig außer Acht, obwohl seine Mitstreiter immer wieder riefen: „Verschont de Foix, er ist der Bruder eurer Königin!“, was er auch wirklich war.

Der Herzog von Namours ...                                            ... überlebt nicht seinen großen Sieg
Painter: Pilippe de Champaigne (ca. 1630)            Painter: Ary Scheffer (ca. 1824)
Quelle: Château de Versailles                                     Quelle: Eremitage, St. Petersburg

Um auf Jakob zurückzukommen: Was hat ihn dazu bewegt, eine scheinbar uneinnehmbare Mauer aus Musketen und Lanzen zu attackieren? Doch gibt es eine Erklärung. Am Vortag der Schlacht erreichte Jakob eine Mitteilung, die durch die feindlichen Linien geschleust worden war. Der Absender war Hieronymus de Vieh, Spaniens Vertreter am Heiligen Stuhl und zugleich Maximilians Geheimagent. Er teilte Jakob mit, dass zwei Tage zuvor in Rom ein Waffenstillstand zwischen dem Reich und Venedig geschlossen worden war und dass Jakob deswegen seine Truppen unverzüglich aus der französischen Armee abziehen möge.

Diese Nachricht versetzte Jakob in ein schweres Bedrängnis. Wem von seinen Herren sollte er folgen? Seinem Kaiser, dem er als Reichsritter den Lehnseid geschworen hatte und der ihn sogar zu seinem „Truchseß“ ernannt hatte; oder dem König von Frankreich, der ihn unter Vertrag genommen hatte, sein Regiment finanzierte und nie versäumte, ihm und seinen Landsknechten den zustehenden Sold zu zahlen? Er beschloss, die geheime Nachricht mit Bayard zu besprechen und ihn um Rat zu fragen. Nicht unerwartet, beschwor sein Freund ihn, nicht am Vorabend der Schlacht von der französischen Armee zu desertieren, und versicherte ihm die ewigen Dankbarkeit des Königs für einen solchen Entschluss.

Jakob beschloss, Bayards Rat zu folgen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als die Mitteilung den Landsknechten zu verschweigen und mit seinen Männern in die Schlacht zu ziehen. Diese Entscheidung kann jedoch den moralischen Konflikt in seinem Inneren nicht gelöst haben. Sehr wahrscheinlich ist sein tolldreistiger Ritt in den Tod als Buße für den Bruch seines Eides gegenüber seinem Lehnsherrn zu verstehen.

-o-

Wir hatten vor, die Taten eines berühmten Landsknechtsobristen zu schildern. Stattdessen sind drei "Helden" an die Kriegsbühne getreten. Zwei von ihnen starben in Ravenna, aber der dritte überlebte, um weiterzukämpfen. Wir können das Schicksal der beiden Gefallenen nur schildern, weil Bayard, der Dritte, es uns ermöglicht hat. Sein Adjutant, der sich selbst "Le loyal serviteur" nannte, zeichnete alle Feldzüge akribisch auf. Nur drei Jahre nach Bayards Tod (1524) konnte er schon dessen Biografie veröffentlichen, die auf dem Material seiner  Aufzeichnungen beruhte.

Dieses Werk verhalf dem kühnen Chevalier Bayard zu ewigen Ruhm. Noch heutzutage ist Bayard als der berühmte „Ritter ohne Furcht und Tadel" (Chevalier sans peur et sans reproche) bekannt. Für uns ist jedoch von Bedeutung, dass Bayards geschätzter Waffenbruder („Le Capitaine Jacob“)von der selben Schrift auch ins Rampenlicht gerückt wurde.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in einer Zeit, in der die moderne Kriegsführung ihre Wurzeln hatte und große Armeen mit Zehntausenden von Soldaten kämpften, von denen die meisten durch Musketen- und Kanonenkugeln niedergemetzelt wurden, ein Söldnerführer wie Jakob II. von Ems durch diese Schrift in Erinnerung blieb. Und das als ein „edler Ritter", dem ewiger Ruhm gebührte, weil er für die Verletzung seines Eids gegenüber dem Kaiser, seinem Lehnsherrn, mit einer selbstmörderischen Attacke büßte.

Jakobs marmornes Grabmal befindet sich im Dom von Modena, das damals die südlichste Stadt des Reiches war. Sein Bruder Burkhard hatte ihn mit einer Truppe treuer Landsknechte dorthin getragen. Kurz darauf erreichte sie auch Maximilians schriftlicher Befehl, sich aus der französischen Armee zurückzuziehen. Die Zeit der deutschen Landsknechte im Dienst König Ludwigs XII. war vorbei.

Es wundert uns nicht, dass Jakobs Rüstung aus der Schlacht schließlich in die Heldenrüstkammer von Erzherzog Ferdinand II. auf Schloss Ambras in Tirol (Parade der Pfauen) aufgenommen wurde; sein Porträt und seine Kurzbiografie fanden auch ihren Platz im Heldenbuch des Herzogs. Darüber hinaus ehrte ihn der berühmte deutsche Humanist Ulrich von Hutten, der an der Seite Jakobs bei der Belagerung von Padua 1509 gekämpft und ein gereimtes Epos über die venezianischen Feldzüge verfasst hatte, mit einem rührenden Epitaph in bronzenem Hexameter. Ehre, wem Ehre gebührt!

Jakobs Rüstung, mit Originalseidenüberzug                                      Von Huttens Epitaph
Ursprünglich in Schloss Ambras                            Auszug aus von Hutten, Ad Caesarem
 
Leider verschollen                                                        Maximilianum epigrammatum liber
                                                                           Quelle: Österreichische Nationalbibliothek




Kommentare

  1. Die Geschichten der Emser sind so informativ wie verwirrend. Immerhin waren sie alle mutige Kämpfer, oft mit traurigem Schicksal. Sie auseinanderzuhalten ist beim Lesen schwierig. Daher konzentriere ich mich auf die Serenissima.

    So lange war das stolze Venedig mutiger und ehrgeiziger Verteidiger gegen Konkurrenten von Land und Meer, um jetzt von Touristenherden zu Land und dem steigenden Meeresspiegel mit riesigen Tourismusschiffen nicht nur bewundert, sondern auch - ohne entsprechende Einnahmen - gedemütigt zu werden!

    Ich freu mich schon auf die nächsten Emsergeschichten.

    Mit Grüßen aus Graz,

    Friedl

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