WAR ER DEREN KAISER?

Christoph Schenck von Lunenburg schwingt stolz das Reichsbanner
Auszug aus Triunfo del Emperador Maximiliano I
Quelle
:  Biblioteca Nacional de España

Ich bin mit achtzehn Jahren von Österreich nach Schweden ausgewandert und habe seither meine Muttersprache kaum benutzt. Trotzdem habe ich sie immer fest und liebevoll im Gedächtnis behalten. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem es mir wohltut, sie ab und zu wieder zu gebrauchen. Deshalb bin ich froh, Mitglied der Schlaraffia zu sein, einem deutschsprachigen Brüderbund mit weltweiter Verbreitung.

Kaiser Karl V.
Künstler: Titian (ca. 1550)
Quelle: Kunsthistorisches M. Wien

Vor etwa acht Jahren besuchte ich in der Schweiz die Ortsgruppe (das „Reych") der Schlaraffia in Solothurn. Wie es im Bund Brauch ist, wird ein Schlaraffe, der zu Besuch kommt, immer eingeladen, einen kurzen Vortrag zu halten. Bei dieser Gelegenheit erzählte ich aus dem Stegreif von der Universität Stanford, die ich in einem meiner Bücher behandelt hatte, verglich das Hauptgebäude dessen Campus scherzhaft mit dem Palast von El Escorial in Spanien und erklärte, dass „unser“ Kaiser Karl V. sich in seinem Alter dort wohl gefühlt hätte und gerne bei Gichtanfällen hätte herumtragen lassen. War er nicht Kaiser und König zugleich und herrschte er als solcher nicht über die halbe Welt, einschließlich Kalifornien, da seine Conquistadores bereits Mexiko und Chile erobert hatten?

Sobald ich „unser Kaiser" sagte, unterbrach mich einer der Schlaraffen mit den Worten: „Der war ganz sicher NICHT UNSER Kaiser!" Darauf antwortete ein anderer Zuhörer: „Du irrst dich! Er war SEHR WOHL UNSER Kaiser!" Die Diskussion ging noch fünf Minuten hin und her ohne dass man sich einig wurde, bevor ich meinen Vortrag fortsetzen konnte.

Wieder zu Hause habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und bin zu dem Schluss gekommen, dass beide Ansichten richtig und falsch sein können! Wie lässt sich dieses Paradoxon erklären? Die Antwort findet sich am einfachsten in der Geschichte, im Studium des Schwabenkrieges von 1499, auch bekannt als „Der Greuliche Schweizerkrieg".

"Der Greuliche Schweizer Krieg" (1499)
Auszug aus Triumphzug Maximilians I. (1516)
Maler
: Albrecht Altdorfer   Quelle: Albertina, Wien

Wie kam es zu diesem „greulichen“ Krieg? Um das zu erklären, müssen wir vier Jahre zurückgehen, in das bahnbrechende Jahr 1495. Da war König Maximilian I. (1459-1519) erst zwei Jahre zuvor zum alleinigen Herrscher der „Römer“ aufgestiegen. Und er wurde sofort in ständige Auseinandersetzungen mit den Reichsfürsten verwickelt, um die Machtverteilung im Reich zu klären.

Nach schwierigen Verhandlungen beim Reichstag zu Augsburg (1595) wurde schließlich eine zukunftsweisende neue Reichsverfassung vom Gremium verabschiedet. Sie umfasste vor allem: die Ausrufung eines „Ewigen Landfriedens", der Fehden zwischen den Hochadeligen abschaffte; die Einrichtung eines „Reichskammergerichts", das über Rechtsverfahren des Hochadels und der Reichsstädte urteilte; und die Einführung eines „Reichspfennigs" (einer allgemeinen Vermögenssteuer) zur Finanzierung des Reichshaushaltes, vor allem kostspieliger Kriegszüge. Damit war ein erster Schritt zur Konsolidierung des fast unregierlichen Reiches zu einem festen Staat getan. Leider wurden weitere Schritte viel später unternommen, und die Konsolidierung erst 1871 vollzogen.

Maximilian I.
Maler: Albrecht Dürer (1519)
Quelle: Kunsthistorisches M. Wien

Die Eidgenossen hatten keinerlei Interesse an diesen Reformen, da sie mit dem alten Reich zufrieden waren, in dem sie großen Handlungsspielraum hatten, besonders für die Aneignung von immer mehr Land von ihren adeligen und klerikalen Nachbarn. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, Vertreter zum Augsburger Reichstag zu entsenden und deklarierten im Nachhinein, dass sie alle dort gefassten Beschlüsse für nichtig hielten. Sie sahen sich nur dem alten Reich unterworfen. Und kein einziger Pfennig wurde in die Reichskasse einbezahlt.

Diese eindeutige Abfuhr der Eidgenossen beunruhigte den König ebenso wie seine Alliierten im Schwäbischen Bund. Dieser war eine Verbindung aller schwäbischen Adligen und Städte, darunter auch der Habsburger, die Jahre zuvor geschlossen worden war, um ein Bollwerk gegen weitere Übergriffe der Eidgenossen diesseits des Hoch- und Alpenrheins zu schaffen. Die Bedrohung war groß: War die Reichsstadt Schaffhausen diesseits des Hochrheins nicht schon mit den Eidgenossen verbündet und hatte sie nicht bereits 1460 an der Eroberung des habsburgischen Thurgaus teilgenommen?

Zu Beginn des Jahres 1499 kam es schließlich zum offenen Konflikt. Ein Streit um die Landeshoheit im Vinschgau und im Münsterland (Provinzen südwestlich der Grafschaft Tirol) führte zu offenen Feindseligkeiten zwischen Tirol und dem Bischof von Chur. Maximilian hatte zu diesem Zeitpunkt kein Interesse an einem Feldzug, da er gerade das Herzogtum Geldern bekriegte. Er gebot Waffenstillstand und die Konfliktpartner einigten sich darauf, das Reichskammergericht die Frage der Landeshoheit entscheiden zu lassen.

Nach der Schlacht bei Schwaderloh (11 April)
aus Schilling (1513), Luzerner Chronik
Quelle
: Zentralbibliothek Luzern

Leider hatten die Eidgenossen und der Schwäbische Bund inzwischen bereits mobilisiert, und bald brachen Scharmützel am Alpenrhein aus. Es ging richtig los, als Maximilian den Eidgenossen den Reichsbann erteilte und auch vom Reichstag Unterstützung fand. Der Krieg bestand vor allem aus gegenseitigen Vorstößen über den Hoch- und Alpenrhein. Große Gebiete in den Rheintälern wurden arg verwüstet, ohne dass es zu einem ausschlaggebenden Durchbruch für die Eidgenossen oder das Reich kam.

Da Maximilian kein entscheidender Sieg gelungen war, schloss er nolens volens am 22. September den Frieden von Basel, der die Grenze zwischen den Konfliktparteien festschrieb. Zwischen den Zeilen des Vertrags wurde klargestellt, dass sich die Eidgenossen weder den Urteilen des Reichskammergerichts unterwerfen, noch den Reichspfennig an das Reich zahlen würden. Als Preis für diesen de facto Austritt der Eidgenossen aus dem Reich wurde die Grenze zu den Schweizern im Norden und Osten dauerhaft entlang des Hoch- und Alpenrheins festgelegt. Dies sollte für lange Zeit den Drang beider Seiten, ihre Konflikte weiter zu schüren, dämpfen.

Wie gesagt, waren die Eidgenossen mit dem Frieden de facto aus dem Reich ausgetreten; auch wenn die Eidgenossen das nicht so gesehen haben mögen und in ihren Amtshandlungen weiterhin das Reichswappen führten. Daraus lässt schließen, dass Maximilian zwar noch König (und später Kaiser) der Eidgenossen war, aber nur de jure, und nicht de facto; und damit auch sein Nachfolger Karl V. Da haben wir die Antwort!

Das Wappen von Genève
Noch immer Fürstbistum im Reich der Römer?

Und wie waren die Emser an diesen Ereignissen beteiligt? Mehrere von ihnen kämpften im Schwabenkrieg, weil sie als Reichsritter dem Schwäbischen Bund angehörten. Dies gilt insbesondere für die Schlachten von Frastanz (20. April) und Hard (22. April), die in der Nähe ihres Territoriums stattfanden. Es gibt jedoch keine dokumentierten Einzelheiten über ihre Beteiligung. Merk Sittich I. von Ems zu Hohenems ist hier die Ausnahme. Wir werden ihn in kommenden Blogkapiteln näher vorstellen. In den Annalen erscheint er als schlagkräftiger Anführer der Heimwehr, die den Alpenrhein in der Umgebung seiner Herrschaft bewachte.

Am 7. April überquerte ein Haufen des St. Gallener Fürstabtes unter der Führung seiner beiden Brüder Hans und Rudolf Giel von Glattburg den Fluss bei Oberriet, etwa gegenüber Hohenems, um die adeligen Herrschaften in der Umgebung zu verwüsten und zu plündern. Sie trafen auf Mark Sittich mit einem kleinen Kontingent seiner Wachmannschaft, der die Eindringlinge entschlossen über den Rhein zurückwarf, nachdem er die beiden Glattburger kurzerhand erschlagen hatte.

-o-

Zum Abschluss noch eine Randbemerkung: Da der Alpenrhein nun de facto zur Reichsgrenze geworden war, gewannen die Befestigungen entlang des Flusses eine ganz neue Bedeutung als Grenzfesten. Insbesondere, da es nur zwei davon gab: Gutenberg, im Südosten des heutigen Liechtenstein gelegen, das sich in habsburgischer Hand befand, und Hohenems weiter nördlich. Es ist nicht zu verwundern, dass die Habsburger fortan die Hohenemser Herrschaft am liebsten übernommen hätten. Solange Hohenems von mächtigen Heerführern regiert wurde, was das 16. Jahrhundert hindurch der Fall war, konnten die Habsburger ihre Habgier im Zaum halten. Danach begann eine lange Zeit des ständigen Tauziehens, bis sich die Habsburger Mitte des 18. Jahrhunderts endlich durchsetzen konnten. 



Kommentare


  1. Kommentar von Friedl Becke

    Lieber Emil,

    Vielen Dank für deinen letzten Emser-Bericht. Nicht sehr lang, aber umso informierender. Hier meine Reaktion:

    Als Österreicherin muß ich nun tatsächlich mein romantisches Bild vom "letzten Ritter" deutlich reduzieren: Also doch eine Menge Kriege und auch etwas Glück, um unserem Land Österreich etwas Macht und Ansehen zu verschaffen!

    Und dann noch der Enkel Karl V (für Spanien der erste Karl). Durch seine ehrgeizigen Mitarbeiter konnte er ein Reich aufbauen, in dem ... für ihn ... die Sonne nicht unterging. Damit begann aber erst (ohne Bestrafung durch die römische Kirche) durchzusickern, was meiner Meinung nach bereits etwa 12.000 Jahre vorher (Löwenzeitalter kurz vor dem letzten Weltuntergang) durch die Pyramiden Ägyptens bis ins letzte Detail ausgedrückt wurde; in der wohl höchsten Kultur, die es je auf dem Planeten Erde gab.

    Mit vielen lieben Grüßen aus dem alten Graz

    Friedl

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

ERLAUCHTER GLANZ

FORTES FORTUNA ADIUVAT

HIMMLISCHES GÖNNEN